Alpiner Lebenskünstler: In memoriam Sepp Forcher

Vor einigen Tagen habe ich auf einem Flohmarkt ein Buch mit Lebenserinnerungen des aus dem ORF für seine Volksmusik- und Kultursendungen bekannten Moderators Sepp Forcher gefunden. Titel: I mog die Leut aus dem Jahr 2000.

Sepp und Helli Forcher

Sepp und Helli Forcher


Forcher war eine beeindruckende Persönlichkeit: Alpinist, Träger unglaublich scheinender Lasten, später ein kluger Präsentator im Tennengauer Dialekt, der sich nie versprach. Er konnte mit allen Leuten reden. In seiner Sendung präsentierte er kulturgeschichtliche Details auf unaufdringliche Weise. Seine formale Ausbildung beschränkte sich auf einige Jahre Volksschule. Er war vielseitig interessiert und belesen.

Ich erinnere mich an einige Anekdoten über ihn.

Erstens: Als er als Hüttenwirt tätig war, besuchte ihn in der Zeit des Kalten Krieges eine Delegation aus der Sowjetunion. Forcher brachte mehrere Male einen Trinkspruch aus: „Ein Hoch auf die ruhmreiche Sowjetunion!“ – Bis einer der Delegierten mit dem Trinkspruch „Ein Hoch auf unseren Herrn Wirt!“ antwortete.

Zweitens: Wer in der Nachkriegszeit bei Sepp Forcher mehr als eine Erbswurstsuppe aß, musste nur eine zahlen. Der spätere Gastronom Günter Essl aß sechs Teller. Am Ende fragte Forcher: „Wieviel hast g'hobt?“ – „Sechse.“ Worauf Forcher antwortete: „Dann zahlst halt oane.“

Sterne

Im erwähnten Buch sind einige Seiten aus Forchers Bergsteigertagebuch abgebildet, auf denen er in Kurrentschrift seine Besteigung des Großglockners aus dem Jahr 1951 beschreibt. Mit etwas Konzentration und Herumsuchen, um die ungewohnten Buchstaben zu erkennen, kann ich sie inzwischen lesen. Diese Seiten waren ein Anlass für mich, das Lesen dieser alten Schrift zu üben. In einigen Facebookgruppen zu geschichtlichen Themen tauchen immer wieder Dokumente und Ansichtskarten auf, die sonst völlig unleserlich sind.

Tagebucheintrag in Kurrentschrift

Ein Tagebucheintrag in Kurrentschrift

Sterne

Sehr interessant fand ich, wie Forcher mit dem Schicksal und der Frage, was jetzt gerade zu tun ist, oder welche Entscheidung die richtige ist, umging. Er tat immer das Naheliegende, wenn es um den nächsten Schritt ging. Sein Lebenslauf wirkt an vielen Stellen, als hätten die Umstände für ihn gearbeitet. Das erinnerte mich an praktischen Taoismus, wie Theo Fischer ihn beschrieb (mehr davon in einem anderen Artikel).

Die Stationen seines Lebens waren ungefähr: Geburt in Südtirol in einer Familie von Hüttenwirten und Alpinisten, Übersiedlung nach Salzburg im Alter von zehn Jahren, einige Jahre Schule in der Kriegszeit, Helfer in der Hütte seiner Eltern, Träger und Arbeiter beim Kraftwerk Kaprun, Werben um seine spätere Frau Helli und Heirat, Betreiben einiger eigener Hütten, Bekanntschaften mit vielen Leuten, Gastauftritte in einigen Radiosendungen, eigene Sendungen mit immer größerem Bekanntheitsgrad.

Viele Menschen denken, dass sie ihr Leben langfristig planen können. Sie setzen sich Ziele. Sie bemühen sich um ihre Traumpartnerin. Sie machen Ausbildungen und hoffen darauf, in einem Berufsfeld Fuß zu fassen. Bei Sepp Forcher ergab sich die TV-Karriere eher organisch.

Trennzeichen Kringel

Auf dieselbe Weise ergab sich auch die Ehe mit seiner Frau Helli, mit der er zwei Söhne hatte: Sie war eine Wienerin und arbeitete auf einer Hütte, die er manchmal besuchte. Aus der Bekanntschaft wurde eine Korrespondenz über Briefe, der Treffen folgten, bis sie heirateten.

Einer der Söhne starb im Alter von 19 Jahren bei einem Autounfall. Sepp Forcher sagte später einerseits, dass er nie darüber hinweggekommen ist. Andererseits blieb der tote Sohn in der Erinnerung immer jung und strahlend.

In einem der späten Interviews sagte Forcher (seine Frau soll ihn immer „der Forcher“ genannt haben), dass er kein Problem mit seinem bald absehbaren Tod hatte und dieser ihm „nicht unwillkommen“ war.

Er starb 2021 im Alter von 91 Jahren.


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